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Spaltenbergung 2019 Brandenburger Haus

07.08.2019

Monate fieberte ich dem Wochenende entgegen, an dem ich im Ötztal lernen sollte, wie man jemanden aus einer Gletscherspalte bergen kann.

Ich ahnte nicht, dass die gemeinsame Leidenschaft zum Bergsport und die neu gegründete Vereinszugehörigkeit zur Sektion Gangkofen dazu führen sollte, dass ich mich als Preiß unter vielen Niederbayern wohl und „geborgen“ fühle.

Am 19.07.2019 gegen 9:00 Uhr war es endlich soweit. Da ich von den acht Teilnehmern nur Michael W, Johanna B und Andreas W kannte, war ich etwas nervös. Man wusste ja nicht, ob man als Flachländerin trotz intensiver Vorbereitung konditionell mit den niederbayerischen Gämsen mithalten konnte. Aber die größte Sorge war, auf Grund meines nicht vorhandenen niederbayerischen Dialekts den Kursleiter Max Altmannshofer und die übrigen Teilnehmer nicht zu verstehen. Dies erwies sich als unbegründet als Max, Michael Rettenbeck, Hans R, Petra J und Christian G sich vorstellten.

Nach einer sorgfältigen Überprüfung unserer Ausrüstung starteten wir mit strahlendem Sonnenschein gegen 09:45 Uhr von Vent (1895m) aus Richtung Hochjoch-Hospiz. Unser Tagesziel lag 1382 Meter über uns und einige Kilometer entfernt. Über eine Hängebrücke kurz vor Rofen ging es an blühenden Wiesen und grasenden Pferden den Cyprian-Granbichler-Weg entlang. Die beeindruckenden Wasserfälle, die sich zu unserer linken in die tiefe Schlucht den Weg bahnten, sowie die freie Sicht auf die Bergkette um den Oberer Rofenberg vervollständigten die idyllische Landschaft. Auf 2413m kehrten wir im Hochjoch-Hospiz kurz ein und stärkten uns mit einer Suppe und Getränke, bevor wir in einem gemütlichen Tempo den steilsten Teil der Etappe angingen. Aus Wiesn wurde Gestein und die karge Landschaft stand im Kontrast zur wunderschönen Gletschermoräne, die sich zu unserer linken erstreckte.

Gegen 15:30 Uhr hatten wir das Ziel vor Augen. Hoch oben thront auf einer Höhe von 3277m das Brandenburger Haus; die höchstgelegene Schutzhütte der Sektion Berlin des DAV. Uns trennte nur noch ein Gletscher, den Max und Michael R. dazu nutzen, uns erste Erkenntnisse über das Gehen auf einem Gletscher zu vermitteln. In einer vierer und fünfer Seilschaft führten uns beide sicher an unser Ziel. Bereits an diesem Abend stellte ich fest, dass wir mit Max und Michael zwei sehr erfahrene Kursleiter hatten. Der ein oder andere war glücklich, sich von den Strapazen des Aufstiegs mit einem kalten Bier zu erholen, während drei Teilnehmer die Gelegenheit nutzten, um zum Sonnenuntergang auf die Dahmannspitze (3401m) aufzusteigen.

Am Samstag ging es nach einem ausgiebigen Frühstück zum theoretischen Teil der Spaltenbergung über. Max und Michael erklärten uns unter strahlend blauen Himmel mit einer stoischen Geduld, wie man im Falle eines Spaltensturzes handeln muss. Dabei wurden uns diverse Möglichkeiten der Spaltenbergung aufgezeigt. In Dreierteams und unter Aufsicht konnte jeder von uns ausgiebig das Gelernte im sicheren Schneefeld ausprobieren, üben und Handlungssicherheit erlangen. Gegen 12 Uhr machten wir uns angeführt von Max und Michael R. in zwei Vierer- und Fünferseilschaften über den Gletscher auf der Suche nach einer Gletscherspalte. Denn wir waren uns alle einig: jeder sollte mal in einer Gletscherspalte hängen und das Vertrauen in seine Seilschaft haben, geborgen zu werden.

Nach einem kurzen Durchatmen sprangen die ersten Zwei, mit der Zuversicht gehalten und geborgen zu werden, in die Spalte. Während der Hängende das tiefe Blau unter seinen Füßen betrachtete, waren die anderen Beiden hintersichert und mit Gewichtsumverteilung, T-Anker setzen, Prusikschlingen binden und Flaschenzug aufbauen beschäftigt. Doch es stellte sich schnell heraus, dass der Unterricht am Vormittag seine Wirkung zeigte. Denn jeder einzelne wurde binnen weniger Minuten aus der Spalte gerettet.

Glücklich, Zufrieden und hungrig ging es zurück zum Brandenburger Haus, wo wir wie am Abend zuvor köstlich bewirtet wurden und den Abend in einer vollen Hütte ausklingen lassen haben.

Am Sonntag läutete der Wecker etwas früher, da wir bereits um 07:00 Uhr aufbrechen wollten um den Gletscher zu überqueren, bevor das Wetter umschlägt. Unser Kurs sollte mit dem Gipfel vom 3494m hohen Fluchtkogel gekrönt werden. Auf dem Weg dort hin, bekamen wir noch eine weitere Unterrichtseinheit im Umgang mit Steigeisen und Pickel im Firn. Gegen 08:30 Uhr erreichten wir gemeinsam das Gipfelkreuz. Einige unter uns hatten somit den ersten Gipfel einer Hochtour erreicht. Da wir noch einen Abstieg von 1600 Höhenmeter vor uns hatten und Nebel aufkam, blieb uns nicht viel Zeit dort oben zu verweilen. Nach ein paar Gipfelbilder und ging es wieder mit Steigeisen über den Gletscher hinab. An dieser Stelle muss ich zugeben: Ein Abend auf Stöckelschuhen verursacht deutlich weniger Muskelkater in den Wadln.

Nach vier Stunden Abstieg über die Vernagthütte, einigen Regengüsse kehrten wir gemeinsam in Vent zum Mittagessen im Wirtshaus ein, bevor jeder die Heimreise antrat.

Der Respekt gegenüber einem Gletscher bleibt bestehen, denn es Bedarf viel Erfahrung, um einen Gletscher richtig lesen zu können. Und als Anfänger sollte man sich immer einer größeren Seilschaft mit Erfahrung anschließen. Umso mehr Unverständnis hatten wir, als wir auf zwei junge Menschen trafen, die unbedarft ohne Steigeisen und ohne Seil zusammen den Gletscher überquerten.

Für mich war es mehr als ein Spaltenbergungskurs, bei dem Max und Michael mich im Bereich der Hochtouren vieles gelehrt haben. Ich hatte die Ehre das Wochenende mit tollen und bemerkenswerten Menschen zu verbringen, die alle die gleiche Leidenschaft zu den Bergen teilen.  Und ich hoffe, dass ich noch viele weitere Hochtouren mit der Sektion Gangkofen erleben darf.

 

Bericht: Eva H